Eine Nachfolgewährung für den EURO, eine Beschreibung und ein Vorschlag von Kai Sandner im Oktober 2023.
Moderat überarbeitet von Ralf M. Boy im Januar 2024.
1) Die Grundlage: Währungsstabilität und geordnetes Geldwesen
Eine stabile Währung im Rahmen eines geordneten Geldwesens ist eine unabdingbare Voraussetzung für gesellschaftlichen Wohlstand, wirtschaftliche Prosperität, Verteilungsgerechtigkeit und inneren Frieden. Die Hüterin dieser Grundvoraussetzung von Wohlstand, Wachstum und Freiheit ist eine unabhängige Zentralbank, die den Begehrlichkeiten, Zugriffen und Zumutungen von aktuell agierenden Politikern grundsätzlich zu entziehen ist.
Jedes Regime, das die Währung aufweicht, schadet der Bevölkerung in erheblichem Maße. Eine verantwortungsvolle politische Führung finanziert den Staat aus Steuern und nicht aus Schulden.
2) Wesen des Geldes: wider modernem Irrglauben
Geld ist nicht nur ein beliebig produzierbares Transaktionsmedium mit Rechenfunktion, sondern ein wertvolles und knappes ökonomisches Gut. Erst durch seine (in der Zeit stabile!) Wertaufbewahrungsfunktion wird ein planbares ökonomisches, auf die Zukunft gerichtetes Handeln möglich.
Daher ist Geld nicht beliebig und uferlos vom politischen System herzustellen. Nicht jede Begehrlichkeit einzelner Interessengruppen ist über die Notenpresse und die begleitende Staatsverschuldung finanzierbar. Wenn Politiker etwas anderes behaupten, dann sind sie Lügner aus Eigeninteresse (Wiederwahl!), und begehen arglistige Täuschungen und Irreführung an der Bevölkerung.
Wir lehnen jede modernistische Irrlehre ab, die zu trügerischen Vorstellung bei der Bevölkerung führt. Wir stehen für Klarheit und Wahrheit!
3) Aufgabe einer Zentralbank: Realismus statt Überforderung und Zielkonflikte
Nach den grundlegenden europäischen Verträgen hat die EZB klar definierte Zielsetzungen. Die EZB ist die unabhängige Notenbank der Eurozone, und besitzt lediglich ein Mandat: nämlich die Stabilität der Euro-Währung (Art. 119 II und 127 I AEUV). Außerdem gibt es weder eine gegenseitige Aushaftung der Länder untereinander, oder fremder und supranationaler Körperschaften (Non-Bail-Out-Prinzip; Art. 125 AEUV); analog etwa wie in den USA hinsichtlich der Bundesstaaten untereinander, und diese im Verhältnis zum Bund. Schließlich gibt es noch das Verbot der monetären Staatsfinanzierung gem. Art.123 AEUV. Mit diesen fünf Grundprinzipien ist die Aufgabe der EZB vollständig beschrieben. Wir lehnen jede Überforderung der EZB durch multimandatierte Zielsetzungen (sozial-, verteilungs- und klimapolitisch) entschieden ab. Dadurch würden die Hauptziele aufgeweicht, und der Beliebigkeit regulierungswütiger Politiker preisgegeben. Effiziensmindernde Zielkonflikte wären vorprogrammiert.
4) Hauptursachen der Inflation
Die Inflation ist im Wesentlichen auch das Resultat einer verfehlten EZB- Politik durch dauerhafte Ausweitung der Geldmenge, und steigenden fiskalischen Ansprüchen der Staaten und an die Staaten. Durch steigende Verschuldung (neudeutsch:
„Sondervermögen“), permanenten Hilfs- und Sonderprogrammen, sowie steigenden Steuerlasten (z.B. auch CO2- Besteuerung), wird bei externen Schockmomenten (Pandemie; Lieferengpässe; nachlassende Konsumneigung und Investitionen; Energiepreise; neue geostrategische Handelspolitik) die Resilienzfähigkeit der Wirtschaft überstrapaziert, und die Inflation zusätzlich angetrieben. Inflation ist damit wesentlich durch Ideologie hausgemacht und politik-getrieben; Inflationsbekämpfung seitens flankierender Maßnahmen der Angebotspolitik (Steuererleichterungen; Investitionen; Wachstumspolitik) wird hingegen sträflich vernachlässigt.
Die Staatsfinanzierung aus der „Druckerpresse“ ist aber nichts anderes als Falschmünzerei, bei der die Bevölkerung um ihre realen Werte betrogen wird. Wertgeminderte Nominalansprüche lassen weite Bevölkerungsgruppen tendenziell verarmen, da viele Mitbürger fast ausschließlich nominalbasierte Einkommen und Erträge erzielen (Arbeitslohn; Renten; Sparvermögen), und wenig Möglichkeiten zum Ausgleich oder Ausweichen haben. Deshalb sind ständige Verteilungskonflikte mit Lohn- Preisspiralen zu erwarten, inklusive weiterem Befeuern von Inflation, Währungsverfall, Kapitalflucht und Abwanderung von Leistungsträgern. Wir plädieren für die Fokussierung auf stabile Währung und geordnetem Geldwesen, wirtschaftliche Vernunft und solide Ordnungs- und Wachstumspolitik. Grundlegende Reformierungen und/ oder Neuverhandlung der grundlegenden europäischen Vertragswerke sind zügig umzusetzen.
5) Konkrete Vorschläge
Für die Währungsunion insgesamt (resp. vertragliche Grundlagen)
- Grundsätzlich: Neuverhandlung der grundlegenden Vertragswerke!
- Und bis dahin: Aktions-Pausierung – STOP aller Maßnahmen – und absolute Transparenz aller wirtschafts- und geldpolitischen Maßnahmen
- „Geheimabkommen“ (wie 20031, s.u.) und offenkundige Rechtsverstöße führen automatisch zur Amtsenthebung aller beteiligten Politiker und Bürokraten, mit persönlicher (auch finanzieller) Haftung; ggf. Wegfall von Bezügen, Übergangsleistungen und Pensionen
- untere Ebenen haften mit, sofern Untätigkeit bei erkennbaren Rechtsverstößen nachgewiesen wird (Remonstrationspflicht!)
- Keine weiteren Integrationsschritte (Fiskal-, Banken-, Sozialunion), solange nicht die europäischen Verträge neu ausgehandelt sind
- Wer zahlt, schafft an! Stimmrechte nach Haftungsanteil!
- Nach Offenlegung aller relevanten Ist- Stände und belastbarer, verhandlungsreifer Vertragsentwürfe erfolgt eine Volksabstimmung der EU-Bürger über den Fortgang; die Ländergewichte bemessen sich am Haftungsanteil im Euro-Verbund
- geteilter Währungsraum (Nord-/ Süd-€) bzw. bzw. „Parallelwährung“ sind in den neuen Verträgen grundsätzlich als Möglichkeiten (positiv) vorgesehen
- Insolvenzordnung für Mitgliedsstaaten; Regelung geordneter Ein- und Austritte („atmende Währungsunion“)
- Neue EU- Verträge sind sehr langfristig auszulegen (z.B. 100 Jahre), mit genau definierten Zielen und festgelegtem Zeitplan
- Kredite grundsätzlich nur gegen Hereinnahme erstklassiger Pfänder
- jährliche Verrechnung und Ausgleich der Target-Salden
„Freiwillige Selbstbeschränkung“ für die EZB
(Darstellung nach R. Vaubel, Euromantik, S. 158- 161)
- keine Teilnahme des EZB-Präsidenten an Sitzungen politischer Gremien
- EZB- Rat stellt keine allgemeinen wirtschaftspolitischen Bedingungen an Regierungen der Mitgliedstaaten; „Selbstbeschränkung“ im Rahmen der Geldpolitik, resp. Bankenaufsicht
- bis zur Neuverhandlung: strikte Selbstbeschränkung hinsichtlich der Mandate bei der Bankenaufsicht (v.a. hinsichtlich kleinerer Institute); Bankenaufsicht als EZB-Aufgabe muß auf eine solide Rechtsgrundlage bei der Neuverhandlung der EU-Verträge gestellt werden (ist also als Ziel der EZB-Politik grundsätzlich neu auszuhandeln)
- geldpolitische Entscheidungen dürfen nicht an Programme geknüpft sein, deren institutionelle Aufsicht in Händen von interessierten Dritten liegt; erst recht nicht in Händen von Politikern begünstigter Länder
- EZB sollte stets öffentlich protestieren, sofern seitens Regierungen geldpolitische Empfehlungen geäußert, resp. Druck ausgeübt wird
- Staatsanleihekäufe nur im Rahmen sogen. „repräsentativer Portefeuilles“ mit lückenlosvollständiger öffentlicher Transparenz
- ANFA- Abkommen und Vereinbarungen über die Notfall- Liquiditätshilfen sind zu widerrufen
- Vetorechte einzelner Länder mit blockierender Wirkung, sofern weiter von mißbräuchlichen Liquiditätshilfen Gebrauch gemacht wird (bisher an Mehrheitserfordernissen gescheitert)
- Rückkehr zu den ursprünglichen Definitionen von Preisniveaustabilität (weder als unrealistisches Punktziel, noch als zeitlich-gewogener Durchschnitt)
Parallelwährung und Alternativen
Das Urteil über den mittlerweile erreichten Stand der EU als Rechtsgemeinschaft hinsichtlich seiner Währungsunion fällt bisweilen geradezu vernichtend aus. So etwa in der Einschätzung des Staatsrechtlers und ehemaligen Verfassungsrichters Hans Hugo Klein: der „großzügige Umgang mit dem geltenden Recht hat den Anspruch der Union, eine ‚Rechtsgemeinschaft‘ zu sein, nachhaltig beschädigt“ (zit. nach: R. Vaubel, Euromantik, S. 76).
Gemeint sind hier nicht nur einfache Verstöße gegen EU- Primärrecht und Kompetenzanmaßungen exekutiver Organe (inkl. EZB), sondern ebenso die grundlegende Mißachtung fundamentaler staatsrechtlicher Grundprinzipien wie Demokratieprinzip und Rechtsstaatlichkeit, Gewaltenteilung, sowie die Mißachtung des höchstrangigen Parlamentsrechtes: dem Recht der nationalen Haushaltssouveränität!
Nach Einschätzung führender Juristen, aber auch der EU-Kommission selbst, ist sowohl die Einführung einer Parallelwährung, als auch der Austritt aus dem Währungsgebiet grundsätzlich möglich. Vollständige Neuverhandlungen der Verträge setzen selbstverständlich die Einigung mit den anderen Verhandlungspartnern voraus. Deutschland darf sich jedoch bei diesen Verhandlungen weder verzwergen, noch die grundsätzliche Offenheit für alle alternativen Optionen aufgeben. Dazu gehören sowohl völlig neuartige Bündnisse mit stabilitätsorientierten Partnerländern (währungspolitisch und auch grundsätzlich!), als auch die Ausstiegsoption.
Konkrete Umsetzungsschritte und Ausgestaltungen sind natürlich durch Expertengremien und die administrativen Arbeitsebenen vorzubereiten und umzusetzen.
Die derzeitige EU ist als ein gescheiterter Versuch anzusehen.
Dieser gescheiterte Versuch hat aber endgültig Klarheit darüber gebracht hat, was nicht funktioniert!
Mit einigem Wohlwollen kann die Entwicklung und der derzeitige Stand als schlechtes Beispiel und Mahnung dienen, welche Fehler keinesfalls wiederholt werden dürfen.
Ein Durch- und Übergangsstadium, das sobald als möglich zu überwinden ist, und auf den großen Müllberg der Weltgeschichte gehört.
Weiterführende Literatur
- Hanno Beck; Aloys Prinz: Gefahr für unser Geld? Die neuen Propheten des Geldes und die Zukunft unseres Währungssystems; Vahlen, 2022
- Dirk Meyer: Parallelwährungen als Weg aus der Euro- Krise, Orientierungen zur Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik 135; (1/2013), S. 37- 43.
- Dslb.: Europäische Union und Währungsunion in der Dauerkrise I
Eine Bestandsaufnahme, 2. Aufl., 2022; zitiert als D. Meyer, Bd. I. - Dslb.: Europäische Union und Währungsunion in der Dauerkrise II
Szenarien für die Zukunft des Euro 2. Aufl., 2022; zitiert als D. Meyer, Bd. II. - Keith Pilbeam, Joscha Beckmann: Internationale Wirtschaft: Wechselkurse, Zahlungsbilanz und Weltwährungssystem, 2017.
- Hans-Werner Sinn: Die Target- Falle …, Hanser Verlag, 2012.
- Dslb.: Der Euro. Vom Friedensprojekt zum Zankapfel, Hanser Verlag, 2015.
- Dslb.: Der schwarze Juni: Brexit, Flüchtlingswelle …, Herder Verlag, 2016.
- Dslb.: Die wundersame Geldvermehrung. Staatsverschuldung, Negativzinsen, Inflation, Herder Verlag, 2021.
- Roland Vaubel: Das Ende der Euromantik. Neustart jetzt, Wiesbaden, 2018.
- Zum Geheimabkommen von 2003: bezieht sich auf die Möglichkeit der nationalen Zentralbanken, selbständig die Staatsanleihen der eigenen Länder zu kaufen, und dadurch Euros in Umlauf zu bringen. Gegenüber der EZB bestand lediglich eine Informationspflicht über das Ausmaß der Geldschöpfung. Diese frühen ANFA-Abkommen (Agreement on Net Financial Assets) wurden entsprechend von den frühen Pleitekandidaten Irland und Italien genutzt, resp. ihrer nationalen Zentralbanken, – aus den hinlänglich bekannten Gründen (vgl. R. Vaubel, Euromantik, S. 23 f., und weitere Nachweise). Offengelegt wurde der Text des Abkommens im Februar 2016; die EZB berichtet ab diesem Zeitpunkt über die ANFA- Kreditlinien, nicht jedoch rückblickend! ↩︎