Im Urteil vom 10.04.2018 (siehe: PM 21/ 2018) stellte das BVerfGer zur Grundsteuer fest, daß die Einheitsbewertung von Grundvermögen in den „alten“ Bundesländern nicht mit dem Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes vereinbar ist, wenn der Bundesgesetzgebers an den Werten des Hauptfeststellungszeitpunktes 1964 weiter festhalten würde. Daher wurde dem Gesetzgeber aufgetragen, bis zum 31.12.2019 eine Neuregelung zu treffen.
Der Senat stellte als wesentliches Argument in den Begründungen fest, daß Wirtschaftsgüter auch in Relation zueinander nach einem realitätsgerechten Bewertungssystem bemessen werden (Grundsatz der Lastengleichheit). Daß man zur Bemessung keine damals fast 60 Jahre alte Grundlage heranziehen kann, sollte für Jedermann intuitiv nachvollziehbar sein.
Einen gewissen Beigeschmack hat außerdem, daß jahrzehntelang keine Aktualisierung erfolgt ist. Nach § 21 Abs. 1 BewG soll die allgemeine Wertfeststellung (Hauptfeststellung) für bebaute und unbebaute Grundstücke normalerweise periodisch alle sechs Jahre aktualisiert werden, damit die steuerlich relevanten Werte den tatsächlichen Verkehrswerten zumindest nahekommen. Nach einer Neufestsetzung 1970 wurde die regelmäßige Überprüfung allerdings ausgesetzt; sämtliche Bundesregierungen blieben in dieser Frage bis zum Urteil aus 2018 untätig. Den üblichen Ausreden (bürokratischer Aufwand; geringe Steuerergiebigkeit) mochte das BVerfGer diesmal allerdings nicht mehr folgen. Bei einem Steueraufkommen zwischen 12 bis 14 Mrd. € und wichtigste kommunale Steuer ist v.a. das zweite Argument sicherlich kein Thema.
Die Steuer mußte also auf eine neue belastbare und gerechte Grundlage gestellt werden, und ein früherer Bundesfinanzminister legte auch Vorschläge seines Hauses vor („Scholz- Modell“), dem nun auch die Finanzverwaltung NRW gefolgt ist. Nach Maßgabe des Verfassungsgericht sollte die neue Grundsteuer allerdings für die Kommunen aufkommensneutral gestaltet werden (im Vergleich der Einnahmen zum Status quo ante). Das bedeutet, daß die Kommunen nach Einführung neuer Bewertungsgrundlagen nicht weniger Einnahmen als vorher, aber auch nicht wesentlich mehr haben sollen. Einem Freibrief zu einer „Steuererhöhung durch die Hintertür“ (Verband Wohneigentum) sollte damit ein Riegel vorgeschoben werden.
Die Finanzverwaltung NRW hat nun in diesen Tagen für rund 6,4 Millionen Einheiten in den 396 Städten und Gemeinden des Landes Bescheide erlassen, die der Grundsteuererhebung ab 01.01.2025 dienen. Gleichzeitig wurden den Kämmerern Werte mitgeteilt, die als Empfehlung des Landes zu einer aufkommensneutralen Gestaltung der Hebesätze genutzt werden sollen. Genau hier könnte aber für die Kommunen noch eine Menge Arbeit und Ungemach zu erwarten sein.
Wegen des unterschiedlichen Erhebungsverfahrens bei Wohn- und Gewerbeliegenschaften (Sachwertverfahren bei Gewerbe- und Ertragswertverfahren bei Wohngrundstücken) wird eine Verschiebung zugunsten der Gewerbeimmobilien, und zulasten der Wohnimmobilien erwartet. Die Folge wäre eine Verteuerung von Wohnkosten, sowohl bei Eigentümern, als auch bei Mietern, die eine Steigerung über die Nebenkosten mitzutragen hätten. Im „Scholz- Modell“ werden darüber hinaus Gunstlagen bevorteilt, schlechtere Lagen zusätzlich benachteiligt (Orientierung an Durchschnittswerten bei Mieten).
Ob die Unwucht zwischen den Immobilienarten durch entsprechende Korrekturen der Steuermeßzahlen seitens der Finanzverwaltung NRW beseitigt wird, steht allerdings in den Sternen. An Appellen (z.B. vom Verband Wohneigentum) hat es nicht gemangelt, allerdings wurde darauf nur sehr verhalten, oder gar nicht reagiert. Auch Vorschlägen zur landeseinheitlichen Regelung, mit dem Ziel, ein mögliches Prozeßrisiko beim Land anzudocken, wurde erkennbar nicht gefolgt. Der Vorteil aus Perspektive der Kommunen wäre die Zentralisierung hauptsächlich deshalb, da nach einigen vom Land geführten Musterprozessen recht zügig ein rechtssicherer Zustand herbeigeführt (bzw. herbeigeklagt) werden könnte.
Öffentliche Klarstellung im Sinne einer „Selbstverpflichtung“ vorab mochten die Kommunen im Vorfeld nicht abgeben. Mit Verweis auf haushaltsrechtliche Gründe und die aktuelle Haushaltslage, seien verbindliche Stellungnahmen derzeit kaum möglich. Es herrscht aber wohl die Meinung vor, daß sich das Land aus der Verantwortung gestohlen habe.
Wenn sich die Steuerpflichtigen von der Neuregelung benachteiligt sehen, könnte eine Prozeßlawine auf die Kommunen zu rollen. Teils hat es schon gegen die Wert- und Messbescheide für die Grundstücke Klagen gegeben, für die es noch keine Musterlösungen gibt. Erst recht würden mit der Anwendung neuer Hebesätze Klagen zu erwarten sein, da die Beurteilung durch die Kämmerer ein hohes Maß an Unsicherheit habe. Grund sei die verfassungsrechtliche Komplexität, deren adäquate Bewältigung bei den 396 Kommunen im Land nicht voraussetzungslos angenommen werden könne.
Remscheids Kämmerer S, Wiertz (SPD) erklärte hierzu, daß die Prüfung der Rechtmäßigkeit der Hebesätze „hinreichende verfassungsrechtliche Rechtfertigungsgründe“ erfordere. Jede Gemeinde müsse eine verfassungsrechtliche Abschätzung vornehmen, dazu „sehen wir uns nicht in der Lage“ (RP, Remscheider Stadtpost, 21.06.2024, S. D1).
An den Wirren um die neue Grundsteuer zeigt sich verallgemeinernd leider eine grundsätzliche, und nicht zu unterschätzende Gefahr. Man bekommt auch bei dieser Gesetzgebung einen ziemlich schalen Eindruck von den Kapriolen des wettbewerblichen Föderalismus, und der Maßgeblichkeit des Konnexitätsprinzips (in Österreich zumindest mit Absicherung durch den sogen. „Konsultationsmechanismus“, s. Webseite des Finanzministeriums Österreich).
Durch unzureichende Ausstattung an Finanzmitteln bei der Lastverteilung an die Kommunen, werden deren Handlungsspielräume zunehmend eingeengt. Wenn diese Handlungsspielräume enger werden, sind deshalb auch bittere Kämpfe um die letzten Einnahmemöglichkeiten der Kommunen zu erwarten. Somit werden Verteilungsinteressen der jeweiligen vertikalen Gliederungen einer sinnvollen Neuordnung der Gesamtthematik weiterhin wirksam entgegenstehen. Grundlegende Neuordnungen werden außer Sichtweise auf St. Nimmerlein vertagt. Selbstlähmung als nicht- intendiertes Ergebnis wohlmeinend- absichtsvollen Handelns. Glückwunsch!
Quellen: Bundesverfassungsgericht und Finanzverwaltung NRW (Web); Handelsblatt, 19.04.2021, Gastkommentar von Ulrich Kriese: „Nur die Grundsteuer nach Scholz´Art ist eine verkappte Vermögenssteuer“.